Azraels Reisen

Ein Leichenwagen und seine Erlebnisse

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Die Würde des Menschen…

…endet beim Sterben.

Waldfriedhof Groß-Umstadt

Harte Worte, leider harte Realität in den letzten Wochen und Monaten. Doch unabhängig von der Pandemie, wie oft lesen wir, dass Menschen still und einsam in Ihrer Wohnung sterben und unbemerkt mehrere Tage und Wochen dort liegen.

Heute habe ich gelesen, das in Hessen das erste Tageshospiz aufgemacht hat, das 6. in Deutschland – ein Ort, an dem Todsterbenskranke tagsüber betreut werden, um dann Abends wieder bis zum nächsten Morgen bei Ihren Angehörigen zu sein.

In anderen Ländern Europas, wie zum Beispiel England oder Österreich gibt es das schon länger und es gibt erheblich mehr Einrichtungen dieser Art.

Meine Mutter ist an Krebs gestorben und konnte zuhause sterben – ich saß an ihrem Bett, als sie ihren letzten Atemzug gemacht hat. Hier gehörte der Tod wirklich zum Leben dazu – wenn ich daran denke, dass sie in der Einsamkeit eines Krankenhauses oder Pflegeheims ihre letzten Stunden verbracht hätte…

Es liegt an uns, dem Sterben und dem Tod wieder Würde zu verleihen. Und damit die Toten zu Ehren – anstatt sie möglichst kostengünstig irgendwo auf einem anonymen Grabfeld still und heimlich zu verscharren.

Den irgendwie hat der Kapitalismus auch hier Einzug gehalten…

Verlust-Ängste (2)

In meinem letzten Beitrag habe ich mit der Frage geendet, ob die Liebe nicht eine der größten und wunderbarsten Emotionen des Menschen ist?

Ich sage aus tiefsten Herzen – JA!

Und wenn ich auf meinen Exkursionen auf den unterschiedlichsten Friedhöfen die Zeichen der Zuneigung, der Liebe auf den Grabstätten sehe, dann macht mich das glücklich.

Denn diese Zeichen zeigen, dass der Mensch, der hier begraben ist, nicht vergessen ist, sondern in den Herzen weiterlebt.

Erst wenn Niemand mehr an dich denkt, dann bist du wirklich Tod, heißt es. Und hier steckt auch so viel Wahrheit drin. Man fragt sich manchmal, welchen Sinn, welchen Zweck verfolgt mein Leben, warum existiere ich, was ist meine Aufgabe hier?

Viele von uns stellen sich diese Frage immer mal wieder, letztlich gibt es darauf keine abschließende Antwort – doch eines weiß ich mit Sicherheit – dann, wenn ich in den Herzen von anderen Spuren hinterlassen habe auf meinem Weg durch das Labyrinth des Lebens, dann habe ich gelebt, dann hat mein Leben einen Sinn gehabt.

Und bei aller Trauer, Wut und Enttäuschung über den Tod eines geliebten Menschen – feiert den Tod, zelebriert ihn – denn dann ehrt Ihr auch den Menschen, den Ihr an diesem Tag zu Grabe tragt!

Verlust-Ängste?

Es passiert mir häufig, dass Menschen interessiert, aber auch mit einer gewissen Scheu und auch Abneigung Azrael und mich betrachten. Manch einer bezeichnet es als makaber, mit einem Leichenwagen (der übrigens 27 Jahre im Einsatz war) durch die Gegend zu fahren.

Gleichzeitig werden wir tagtäglich mit dem Tod, mit dem Sterben konfrontiert – Artensterben, Waldsterben, Unfälle, Katastrophen und die Corona-Toten, gepaart mit der täglich konsumierten Menge an Brutalität in Netflix und co. sollten uns doch umgänglicher mit dem Thema Tod gemacht haben?

Oder liegt es daran, das der Tod auf den Bildschirmen, in der Zeitung, im Web ein „virtueller“ Tod ist – nicht greifbar, nicht real, er hat nichts mit uns zu tun?

Der Leichenwagen jedoch, der direkt vor uns steht, ist greifbar, ist ein Synonym für den Tod, für die Vergänglichkeit, für Verlust, Trauer, Schmerz.

Azrael vor dem Illenauer Friedhof

Ich gehe dann meist auf die Menschen zu, lade sie ein, ein Blick in das Innere zu werfen, öffne bereitwillig die Hecktür oder fordere sie auf, sich mal auf den Beifahrersitz zu setzen. Und in den meisten Fällen siegt die Neugier und es ergeben sich nette und interessante Gespräche.

Der Tod ist Bestandteil des Lebens und wir alle sollten lernen, bewusst mit unserer Vergänglichkeit umzugehen.

Vielleicht haben wir Angst oder Unbehagen im Umgang mit dem Tod, weil uns dadurch bewusst wird, dass wir jederzeit, jeden Augenblick einen geliebten Menschen verlieren können?

Und ist Liebe nicht eine der größten und wunderbarsten Emotionen, zu denen wir Menschen fähig sind?

Gedenkstätte für Sternenkinder auf dem Waldfriedhof in Groß-Umstadt

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