Ein Leichenwagen und seine Erlebnisse

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Wien (2)

Friedhof der Namenlosen (2)

Fast auf allen Gräbern waren diese orangefarbigen Herzen zu finden. Dieses Zeichen der Zuneigung wirkt zugleich wie ein Farbklecks in der Traurigkeit dieses Ortes.

Ausweglosigkeit

Alle die sich hier gesellen,

Trieb Verzweiflung in der Wellen kalten Schoß

Drum die Kreuze die da ragen,

Wie das Kreuz das sie getragen,

“Namenlos”

Gedicht v. Graf Wickenburg

Dies ist ein Auszug eines Gedichtes, welches auf einer Tafel am Eingang des Friedhofes zu finden ist.

Wie verzweifelt muss jemand sein, der als einzigen Ausweg den Gang in die Donau sieht?

Sicher kann man unsere heutige Zeit mit damals nicht vergleichen und das Leben zu dieser Zeit dürfte um einiges beschwerlicher gewesen sein. Doch dann den “Freitod” zu wählen – im Wissen, das man damit jegliches christliche Begräbnis verwehrt bleibt – zu dieser Zeit, dürfte noch deutlicher die Verzweiflung dieser Menschen zeigen.

Atmosphäre

Im ersten Moment mögen viele Besucher von dem Friedhof enttäuscht sein. Ein paar Reihen mit Kreuzen sieht man auf jedem Friedhof.

Nehmt Euch die Zeit und lasst die Atmosphäre des Ortes auf Euch wirken.

Haltet einen Moment inne, versetzt Euch in die damalige Zeit.

Ihr seid vielleicht fernab Eurer Lieben als Knecht oder Magd angestellt, tagein, tagaus besteht Euer Leben nur aus arbeiten, arbeiten, arbeiten, zu einem Hungerlohn.

Dann verliert Ihr vielleicht Euer Lohn und Brot, könnt Euren Lieben zuhause kein Geld mehr schicken oder Ihr werdet aus irgendeinem Umstand schwanger und die Schande…

Euer einziger Ausweg diesem Leid zu entfliehen ist die Donau…

An einem kalten Novembermorgen, im frühen Nebel des Tages entschließt Ihr Euch in den Fluß zu gehen und diesem weltlichen Dasein ein Ende zu bereiten.

…durch fremde Hand

Dieses Grab dürfte jeden berühren – ein 11jähriger Junge, der durch “Fremde Hand” den Tod in den Fluten der Donau fand.

Wer beobachte diese schändliche Tat?

Woher wusste man den Namen des Jungen?

Was geschah mit dem Täter?

Ein weiteres Einzelschicksal auf dem Friedhof der Namenlosen.

Ich hoffe, das dieses Kleinod der Friedhofskultur noch lange ehrhalten bleibt und sicher werde ich den Namenlosen bei meinem nächsten Besuch wieder einen Besuch abstatten.

Dann werde ich definitiv einen Strauß weiße Rosen dabei haben und auf die Gräber verteilen.

Wien (1)

Friedhof der Namenlosen (1)

In der Gothic-Szene sicher spätestens durch L’ Âme Immortelle und dem Song und Album “Namenlos” bekannt, liegt dieser Friedhof versteckt in einem Hafengebiet außerhalb Wiens.

Eigentlich handelt es sich um zwei Friedhöfe, der ursprüngliche erste existiert aber leider nicht mehr, da er im Zuge von Hafenerweiterungsmassnahmen und des Hochwasserschutzes “platt” gemacht wurde.

Auf dem ersten Friedhof wurden über 400, meist unbekannte Tote beerdigt, auf dem heute noch erhaltenen neuen Friedhof sind 104 Wasserleichen beerdigt.

Ursprung und Geschichte

Die Entstehung des Friedhofes ist einer natürlichen Ursache geschuldet.

Am Stromkilometer 1918,3 der Donau befand sich früher eine Wasserstrudel, durch den neben Treibgut auch immer wieder Wasserleichen angeschwemmt wurden.

1840 wurde die erste Leiche, deren Identifizierung in der Regel fast unmöglich war, beerdigt. Da es sich um Menschen handelte, die sich Selbst das Leben genommen hatten, wurde Ihnen ein reguläres Begräbnis verwehrt.

Da der Friedhof immer wieder bei Hochwasser überschwemmt wurde, legte man 1900 den heutigen, zweiten Friedhof hinter einem Hochwasserdamm an.

Deshalb muss man heute erst ein paar Treppen hoch laufen, bevor man wieder auf den in einem Kessel liegenden Friedhof gelangt.

Der Friedhof heute

Seit 1939 wurde auf dem Friedhof niemand mehr beerdigt, bedingt durch die Ausbaumassnahmen des Hafens haben sich die Strömungsverhältnisse verändert.

Somit werden auch an dieser Stelle keine Wasserleichen mehr angeschwemmt.

Sollte doch noch eine Wasserleiche angeschwemmt werden, so werden diese seit 1940 auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt – dies auch, weil Albern damals eingemeindet wurde.

Weitere Informationen findet Ihr bei Wikipedia oder auf der Webseite des Friedhofes.

Am Donnerstag poste ich den zweiten Teil über den Friedhof der Namenslosen.

Vienna calling

Es lebe der Zentralfriedhof!

Azrael auf dem jüdischen Teil des Zentralfriedhofs

Kann man sich in einen Friedhof verlieben?

Ein eindeutiges Ja, verbunden mit einem dickem Dankeschön an meine tolle Friedhofsführerin, die manchmal auch die Orientierung verloren hatte 😉

Ich bin ja zurzeit mit Azrael in Wien.

Könnt Ihr Euch den Himmel auf Erden für einen Leichenwagenfahrer vorstellen?

Auf einem Friedhof – und in dieser Größe – mit seinem Fahrzeug fahren zu können und zu dürfen?

Das geht auf dem Wiener Zentralfriedhof tatsächlich!

Der jüdische Teil

Doch unabhängig davon, solltet Ihr in Wien sein, dann nehmt Euch die Zeit und besucht den Zentralfriedhof.

Nicht den Teil mit den “Promis”, auch nicht das Grab von Falco – Nein!

Besucht unbedingt den jüdischen Teil des Friedhofes am Tor 1 gelegen.

Nicht nur, das es dort eine Unmenge an Grabstätten und Gruften gibt.

Es ist eine ganz besondere Mischung aus Vergänglich- und Natürlichkeit, die diesen Teil so besonders macht.

Grabreihen mit schiefen und teilweise umgefallenen Grabsteinen.

Hohes Gras, Wildblumen, Ranken, Verwitterung zaubern eine fast märchenhafte Stimmung.

Es hat ein bisschen was von einem Lost Place.

Grabinschriften, die von Liebe und Zuneigung für den Verstorbenen sprechen.

Und überall die Spuren der Vergänglichkeit.

Das alles in einer parkähnliche Anlage ohne diese “deutsche” Gründlichkeit, bei welcher der Tod in Reih und Glied und sorgsam parzelliert noch nach dem Tod von preußischer Ordentlichkeit strotzt.

So viel zu sehen, so viel zu entdecken.

Und sicher nicht mein letzter Besuch auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Gruppe 35B Babyfriedhof

Von Tor 3 aus gelangt man nach ca. 500 Metern zu einem eigens angelegtem Areal für Sternenkinder, Totgeburten und Kindergräbern.

Dazu werde ich in einem weiterem Beitrag noch erzählen.

Alles ist endlich

Das nachfolgende Bild zeigt sehr schön die Symbolik der Vergänglichkeit.

Bei uns in Deutschland ein Ding der Unmöglichkeit, das bewusst eine Grabstätte so liegen bleibt.

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