Ein Leichenwagen und seine Erlebnisse

Schlagwort: Beerdigung (Seite 1 von 3)

Denkanstoß (3)

Kein Vater sollte sein Kind zu Grabe tragen

Wir hatten einer Obduktion zugestimmt, aber die lieferte auch keine Hinweise auf die Ursache für seinen Tod.

Warum?

Wie oft habe ich mir diese Frage gestellt, immer und immer wieder.

Letztendlich musste ich mich damit abfinden, auf diese Frage keine Antwort zu erhalten. Hat lange gedauert…

Als wir im Beerdigungsinstitut die Trauerzeremonie besprachen, fragte mich die Bestatterin, ob ich den meinen Sohn von der Trauerhalle bis ans Grab tragen wolle.

Heute bin ich für diese Frage dankbar und ein Klein wenig ärgere ich mich darüber, das ich damals nicht ja gesagt habe. Damals schossen mir andere Gedanken durch den Kopf.

Ich glaube die erste Empfindung war eine Mischung aus Empörung und Unglaube, im zweiten Takt, die Befürchtung unterwegs zu stolpern oder die Kraft zu verlieren. Und im dritten Moment auch, das ich ja dann meine Frau nicht begleiten könnte.

Männer! Beschützer… ja, ich glaube so ein bisschen Ego hat da auch eine Rolle gespielt.

Und dann – ja dann kam die Leere – dieses unendliche Nichts, was irgendwie gefüllt werden musste. Mit Aktivität, mit „das Leben geht weiter“, mit Arbeiten gehen, mit „Über-„Leben.

Ganz ehrlich – BESCHEUERT!

Doch wie trauert man(n) (in dieser Gesellschaft)?

Wie ist das mit unserer westlichen Trauerkultur?

Lassen wir heutzutage Trauer zu?

Hört mal in Euch rein, denkt mal über Trauer(rituale), die ihr kennt, nach?

Denkanstoß (1)

Kein Vater sollte sein Kind zu Grabe tragen“

Aufbahrungsraum beim Bestatter

Ich hatte es früher schon einmal angedeutet und heute und morgen nehme ich Euch mit auf die Beerdigung meines Erstgeborenen.

Oben seht Ihr den Aufbahrungsraum beim Bestatter, bei dem wir die Gelegenheit hatten, uns über mehrere Tage lang zu verabschieden. Viele Stunden haben wir hier verbracht, geweint, geschwiegen, gehaddert und gezweifelt…

…an uns, an Gott, an allem.

Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich mir damals die Frage gestellt habe

Warum?

ohne eine Antwort zu bekommen.

Letztendlich habe ich meine Trauer mit der Fürsorge um meine Frau zugedeckt, habe im blinden Aktionismus versucht, diese Situation zu bewältigen und wieder ins Leben zurückzufinden.

Trauerhalle

Man ist in solchen Zeiten so allein, so unsagbar einsam und in den Wochen und Monaten danach verstärkt sich dieses Gefühl, weil niemand versteht, warum man jeden Tag auf den Friedhof geht…

Deshalb ist es so wahnsinnig wichtig, dass es mittlerweile solche Initiativen und Vereine, wie den Veid e.V. gibt, bei dem man Hilfe findet (Link auf der rechten Seite).

„Hast du Angst vor dem Tod“, fragte der kleine Prinz die Rose. Darauf antwortete sie: „Aber nein. Ich habe doch gelebt, ich habe geblüht und meine Kräfte eingesetzt soviel ich konnte. Und Liebe, tausendfach verschenkt, kehrt wieder zurück zu dem, der sie gegeben. So will ich warten auf das neue Leben und ohne Angst und Verzagen verblühen.“

aus „der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry

Denn der schwache Trost, den Antoine de Saint-Exupery hier beschreibt – „Ich habe doch gelebt“ – den gibt es dort, wo das Leben endet, ohne das es begonnen hat, nicht.

Es gibt kein Haltegriff, kein Kino in dem der Film irgendwann endet.

Zum Glück gibt es heute in vielen Gemeinden die Möglichkeit Sternenkinder zu beerdigen, einen Ort für die Trauer und den Schmerz zu schaffen. Einen Ort, an dem man „mit dem Schicksal hadern kann“, für den stillen Disput mit „da oben“.

Es sind aber immer noch zu wenig dieser Orte und das ist ein Teil der Mission von AzraelsReisen. Wie das Thema Tod immer und immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Unseren westlichen Umgang mit dem Tod zu hinterfragen und zu ändern. Den Tod wieder dorthin zurückzuholen, wo er meiner Meinung nach hingehört:

Mitten ins Leben!

Kinder sterben leise

und Eltern trauern einsam

Grabfigur Rosenhöhe Darmstadt
Prinzessin Elisabeth Marie Alice Victoria von Hessen und bei Rhein

Naja, diese Beerdigung war sicherlich keine leise, denn schließlich handelte es sich bei der Toten um eine Prinzessin, die im Alter von 8 Jahren verstarb…

Doch in der Regel wird der Tod eines Kindes und insbesondere eines ungeborenen Kindes als Versagen der Eltern angesehen. Die Eltern fühlen sich oft ausgegrenzt, missverstanden und mit einem Schandmal gezeichnet.

Ich wohne in einer kleinen Ortschaft mit damals 1.500 Einwohnern. Wir hatten damals eine sehr verständnisvollen Pfarrer, der wusste, wie neugierig und „gesprächig“ die Dorfgemeinschaft war.

Normalerweise läuten die Glocken nach Bekanntwerden des Todesfalles 10 Minuten vor der Beerdigung. Unser Pfarrer unterlies dies und Niemand wusste vorher, wer da beerdigt wird, damit wir in Ruhe Abschied nehmen konnten.

Sicher sprach sich unser Schicksal danach rum und die Anteilnahme war schon sehr groß. Doch gleichzeitig hatte man immer das Gefühl, das diese Anteilnahme auch eine gehörige Portion Neugierde beinhaltete.

Und nach einiger Zeit hatte man das Gefühl – auch innerhalb der eigenen Familie – das genug getrauert sei und man sich dem Leben zuwenden solle.

Ich für meinen Teil musste ja auch relativ schnell in die „Normalität“ zurück und arbeiten gehen. Danach war ich so mit der Trauer und Sorge um meine Frau beschäftigt, dass ich Selbst meine Trauer und ganz besonders mein Hadern mit Gott nicht zu ließ.

Dies ist heute zum Glück anders, doch es wird immer wieder diese Tage geben, an denen ich zurück blicke.

Mit Stolz zurück blicke, denn irgendwann und diese Worte sind an alle gerichtet, die aktuell trauern – egal um wenn Sie gerade trauern – irgendwann geht auch diese tiefe Traurigkeit im Herzen vorbei und es wird Momente geben, an den Eure Herzen mit soviel Liebe und Glück gefüllt ist, das Ihr vor Freude weint.

Wenn Ihr Eurer Trauer und euren Tränen von Anfang an den Raum lasst, den Ihr braucht.

Schämt Euch nicht Eurer Tränen, Männer!

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